Blinder Feind von Jeffery Deaver gehört zu Abwechslung mal nicht zu seiner Lincoln-Rhyme-Reihe, sondern ist ein Einzelband – oder auf neudeutsch “standalone” . Von diesen Einzelbänden gibt auch schon ziemlich viele, mal ganz abgesehen von diversen anderen Reihen, die es von ihm gibt. Da fragt man sich ja schon manchmal, wie er das alles schafft – allerdings gilt das auch für eine Reihe anderer Autoren, die gefühlt alle naselang eine neues Werk auf den Markt bringen. Vergleiche ich das mal damit wie lange ich für einen läppischen Brief oder Blogartikel brauche, fühle ich mich schon irgendwie sehr klein.
Blinder Feind
Jeffery Deaver
Eines Abends im September gerät das sonst so wohlgeordnete Leben von Gabriela McKenzie vollkommen aus den Fugen. Ihr Chef, Charles Prescott ist spurlos verschwunden und mit ihm alle Firmengelder von allen Geschäftskonten. NYPD-Detectives Brad Kepler und Naresh Surani erhoffen sich nun Hinweise auf den Aufenthaltsort des augenscheinlich betrügerischen Firmenchefs. Aber diese hat ganz andere Sorgen, denn ein Mann namens Joseph hat ihre Tochter Sarah entführt, verlangt beinahe eine halbe Million Dollar Lösegeld und die Herausgabe einer ominösen “Oktoberliste”, auf der die Namen von Prescotts meist ausländischen Geschäftspartner zu finden sind. Natürlich darf Gabriela die Polizei nicht um Hilfe bitten.
Er ließ den Blick auch über ihre schmalen Hüften und den üppigen Busen wan dern, hat te aber er kenn bar kein sinnliches In te res se. Wie im mer seine Vorlieben oder sein Beziehungsstatus aussehen mögen, dachte Gabriela, ich stehe bestimmt nicht sehr gut da. Blinder Feind, S.12
Mein Eindruck:
Manchmal verwirrt mich das alles …
Das Ende zu Beginn
Vorab muss man bei diesem Buch wissen, dass es rückwärts erzählt wird – ich beginne also mit dem Ende und arbeite mich dann langsam zum Anfang und den Auslösern dieser Geschichte vor. Ich finde diese Art zu lesen echt anstrengend und oft auch reichlich verwirrend – aber in diesem Fall ist schon recht spannend. Allerdings habe zumindest ich ganz oft den Faden verloren, musste dann wieder zurückblättern und nochmal nachlesen.
Entführtes Kind
Blinder Feind beginnt also an einem Sonntagabend, wohlgemerkt mit Kapitel 36, in einer Wohnung irgendwo in Manhattan. Gabriela und ein mir bis dahin unbekannter Mann warten darauf, dass sich Daniel, den ich ja auch noch gar nicht kenne, mit dem Entführer von Gabrielas Tochter Sarah trifft, um diese gegen die “Oktoberliste” ind das Lösegeld einzutauschen. Doch dann taucht plötzlich Joseph, der Entführer, in der Wohnung auf und verwirrt Gabriela vollends.
Rückwärts zum Anfang
Schritt für Schritt bewege ich mich von da an kapitelweise rückwärts auf den Ausgangspunkt dieser Situation zu. In, für Jeffery Deaver eigentlich eher ungewöhnlich, kurzen, knackigen Kapiteln bekomme ich immer mehr Einblick in die Situation, mit der das Buch für mich ja beginnt. Über die diversen Charaktere bekomme ich mal mehr, mal weniger Informationen – meist nur das, was die Protagonistin Gabriela über diese denkt. Das lässt auf jeden Fall sehr viel Raum für meine eigenen Überlegungen und Interpretationen – eine Sache die mir immer wieder sehr viel Spaß gemacht hat.
Verwirrend, aber spannend
Beeindrucken finde ich, wie der Autor jeden noch so unwichtig wirkenden, neu auftauchenden Charakter in einem der nächsten Kapitel wieder aufnimmt. Genauso verfährt er mit vielen kleinen, auf den ersten Blick oft ganz banal wirkenden, Details. Nach und nach verstehe ich immer mehr von dem was da passiert, aber ganz oft stellt sich auch heraus, dass einfach nichts ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. So lässt das Finale, dass ja mein Einstieg in die Geschichte war, mich den tatsächlichen Anfang in einem ganz anderen Licht sehen. Sehr verwirrend, aber eben auch wirklich total spannend.
Meisterhaft erdacht
Geschrieben und erdacht ist die ganze Geschichte wirklich meisterhaft. Als Leser fiebere ich das ganze Buch über mit Gabriela McKenzie mit, mache mir mit ihr Sorgen um ihr Kind und wundere mich gleichzeitig über eine gewisse Sorglosigkeit, die sie anderen Menschen gegenüber manchmal an den Tag legt. Der Spannungsbogen war für mich immer hübsch gleichbleibend hoch, allerdings fällt es manchmal schwer, den Faden nicht immer wieder zu verlieren. Aber das Ende bzw. der Anfang belohnt auf jeden Fall für die Ausdauer.
Mein Fazit.
Blinder Feind von Jeffery Deaver folgt einem ganz anderen Konzept, als ich es von Deaver gewohnt ist. Ich rolle das Feld gewissermaßen von hinten auf und trotzdem bleibt die Geschichte durchgehend spannend und überraschend. Als muss allerdings schon ein bisschen Geduld haben.
- Titel: Blinder Feind
- Originaltitel: The October List
- Autor/in: Jeffery Deaver
- Übersetzer/in: Fred Kinzel
- Verlag: Blanvalet Verlag
- Genre: Thriller
- Erscheinungsjahr: 2015
- ISBN: 978-3-442-38407-5
- Form: TB, 384 Seiten
- Preis: 9,99 €