Ein notwendiges Übel ist ein historischer Roman, der im fernen Indien handelt. Indien findet man nicht so oft als Handlungsort eines Krimis und schon gar nicht, wenn es um die Kolonialzeit geht. Mich reizte beides, denn die Kalkutta als farbenfrohe und geräuschvolle Kulisse fand ich spannend, genau wie die Tatsache, dass der Zeitrahmen das beginnende 20. Jahrhundert ist.
Ein notwendiges Übel
Abir Mukherjee
Ein Jahr ist seit Sam Wyndhams ersten, großen Fall vergangen. Er hat sich einigermaßen eingelebt, als er erneut mit einer heiklen Mission betraut wird. Der Thronfolger von Sambalpur wurde ermordet und die Kolonialregierung hat ein hohes Interesse an der Ergreifung des Täters. Leider hat sie keinerlei Befugnisse, in dem unabhängigen Fürstenstaat zu ermitteln. Kurzentschlossen reisen Sam Wyndham und sein indischer Sergeant Surrender-not Banerjee undercover nach Sambalpur.
Einen Mann mit einem Diamanten im Bart sieht man nicht alle Tage. Aber ich schätze, wenn Prinzen an Ohren,Fingern und Kleidung der Platz ausgeht, dann ist der Kinnbart nicht die schlechteste Alternative. Ein notwendiges Übel, S.9
Mein Eindruck:
Rule, Britannia…
Undercover
Prinz Adhir wird kurz nach einer Feier, direkt vor den Augen Wyndhams und Banerjees, in einer vollgestopften Gasse erschossen. Das sorgt natürlich bei der ohnehin schon angespannten Lage für reichlich politischen Zündstoff. Deshalb wird den beiden Ermittlern die zweifelhafte Ehre zuteil in einem Fürstentum zu ermitteln, in dem sie gar nicht ermitteln dürfen. Also machen sie sich undercover auf, in ein farbenprächtiges, dekadentes, unglaublich reiches Fürstentum.
Alltagsrassismus
Der Reichtum und all das haben mich eigentlich weniger irritiert, wie der ständig vorhandene, latente, alltägliche Rassismus. Entsprechende Begebenheiten werden meist nebenbei erzählt, so dass ich manches Mal beinahe erschrocken zurück blättere, immer mit dem Gedanken “das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder?”. Hatte er dann aber meist doch. Allerdings geht der Rassismus hier nicht nur von den Briten bzw. Europäern aus. Die Inder können das untereinander beinahe genauso gut.
Kultur
Gemeinsam mit Wyndham und Banerjee streife ich dann durch das fremde Sambalpur. Die fremdartige Kultur wird mir als Leser dadurch näher gebracht, das natürlich dem Briten Wyndham alles mögliche erklärt werden muss. Also lerne ich mit ihm die komplizierten politischen Machtverhältnisse. religiösen Vorschriften und persönlichen Gefälligkeiten zu durchschauen – zumindest annähernd. Sehr hilfreich ist dabei das am Ende des Buches angehängte, sehr umfangreiche, Glossar.
Kriminalfall
Bei all dem “drumherum” bleibt der Kriminalfall ein bisschen auf der Strecke. Ich fand ihn jetzt weder sonderlich spannend, noch clever konstruiert. Er war der Aufhänger für eine wirklich faszinierende Reise durch das koloniale Indien – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Trotzdem habe ich mich eben durch das ganze “drumherum” gut unterhalten gefühlt. Ein bisschen was über die Kolonialzeit dazugelernt habe ich auch. Also alles entspannt und gut. Einen weiteren Teil, sollte es denn einen geben, brauche ich aber nicht.
Mein Fazit:
Ein notwendiges Übel ist ein spannendes Buch über Indien zur Kolonialzeit. Der Kriminalfall fungiert hier eher als Aufhänger, deshalb sehe ich das Buch mehr als Reisebericht, denn als Krimi. Eigentlich schade, da hätte man mehr machen können.
- Titel: Ein notwendiges Übel
- Originaltitel: A Necessary Evil
- Autor/in: Abir Mukherjee
- Übersetzer/in: Jens Plassmann
- Verlag: Heyne Verlag
- Genre: hist. Krimi
- Erscheinungsjahr: 2018
- ISBN: 978-3-453-43920-7
- Form: TB, 496 Seiten
- Preis: 9,99 €