Das Derwischtor von Ahmet Ümit ist mir vor allem wegen des Covers aufgefallen – mir gefällt das leicht Geheimnisvolle daran. Ich mochte als Kind immer gern die Geschichten aus 1001 Nacht und irgendwie hat mich dieses Cover daran erinnert 🙂 Die Frage, wie man einen modernen Kriminalfall mit dem orientalischen Flair, das das Coverbild ausstrahlt, verknüpfen kann, wollte ich auf jeden Fall klären 🙂
Das Derwischtor
Ahmet Ümit
Karen Greenwood ist Versicherungsinspektorin und untersucht immer wieder Brandfälle deren verursachten Schaden ihr Arbeitgeber ausgleichen soll. Ihr neuester Fall für sie in die türkische Stadt Konya, zu der sie eine ganz besondere Beziehung hat. Konya ist die Heimatstadt ihres Vaters, der aber sie und ihre Mutter verlassen hatte, als Karen noch ein kleines Kind war. Karen, deren vollständiger Name Karen Kimya Greenwood ist, hat an die Stadt ihres Vaters nur vage Erinnerungen – genau wie an ihn selbst. Schon auf den Flug nach Konya fragt sie sich, ob es wirklich eine gute Idee war, diesen Auftrag anzunehmen…
Noch eine halbe Stunde bis zur Landung, selbst diese Aussicht vermochte die Unruhe in mir nicht zu vertreiben. Auch am Boden würde die düstere Stimmung nicht weichen, das wusste ich genau. Hätte ich diesen Job bloß nie angenommen! Das Derwischtor, S. 11
Mein Eindruck:
Die Geheimnisse des Orients
Kindheitserinnerungen
Schon während der Schilderungen von Karens Anreise wird deutlich, dass sie schwanger ist. Eigentlich ein Grund zur Freude, scheint Karen das anders zu sehen. Auch das Wiedersehen mit der Stadt, in der sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hat, löst eher ein ungutes Gefühl in Karen aus. Als Leser erfahre ich ein paar Kindheitserinnerungen und kann so besser verstehen, woher diese unguten Gefühle stammen.
Historische Gegebenheiten
Der ungeklärte Hotelbrand ist zwar der eigentliche Grund für Karens Reise, allerdings dreht es sich in diesem Buch eher weniger darum. In blumigen, wunderschönen Worten bringt mir Ahmet Ümit seine Heimat und deren Geschichte näher. Er führt mich in eine Vergangenheit voller Legenden und Mysterien und vermittelt mir einiges an Wissen über das historische Konya, den Sufismus und den Sufi-Orden, der in Konya beheimatet ist.
Schwangerschaft
Auch Karens privates Problem, ihre Schwangerschaft, spielt eine große Rolle in diesem Buch, da ihre Gedanken immer wieder um dieses Thema kreisen. Ihr Freund und Vater des ungeborenen Kindes will, dass sie das Baby abtreibt und geht ganz selbstverständlich davon aus, dass Karen das genauso sieht. Die hat aber Zweifel und möchte das Kind eigentlich bekommen. Aber sie weiß nicht, wie sie ihm das beibringen soll.
Mordermittlung im Traum
Zu allem Überfluss versucht sie in ihren Träumen auch noch den recht mysteriösen Tod des Wanderderwischs und Sufi-Mystikers Shams-e Tabrizi aufzuklären. Ihre Träume wirken, was diesen Fall anbelangt, immer realistischer und Karen hat immer mehr Schwierigkeiten Traum und Realität zu trennen. Ähnlich ergeht es mir als Leser auch. Die wirklich sehr bildhafte und metaphernreiche Sprache nimmt mich immer mehr gefangen – aber ich weiß auch oft nicht mehr, was Karen nun träumt oder tatsächlich erlebt.
Den Fokus verloren
All diese verschiedenen Aspekte des Romans sind sprachlich wunderbar geschildert. Sie nehmen mich gefangen, entführen mich in eine ferne, fremde Welt, die voller Geheimnisse und Mysterien ist. Das Derwischtor erweitert auf jeden Fall meinen Horizont und ich fühlte mich gut über viele kulturelle und geschichtliche Aspekte der Türkei informiert. Was dabei allerdings vollkommen verloren ging, war der Krimiaspekt um die Aufklärung des Hotelbrandes – das ist schon ein bisschen schade. Trotzdem habe ich dieses Buch geliebt und mich gefreut, über einen kleinen Umweg darauf gestoßen zu sein 🙂
Mein Fazit:
Das Derwischtor von Ahmet Ümit ist nicht wirklich ein Krimi – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Aber ich habe die Sprache, das Mysteriöse, das Geheimnisvolle und die liebevoll aufbereiteten Informationen über eine Teil der türkischen Kultur und Geschichte geliebt. Vielleicht hätte der Verlag es nicht als Krimi vermarkten sollen? Aber hätte ich das Buch dann entdeckt und gelesen? Wohl eher nicht und dann hätte ich wirklich etwas verpasst!
- Titel: Das Derwischtor
- Originaltitel: Bab-i Esrar
- Autor/in: Ahmet Ümit
- Übersetzer/in: Sabine Adetepe
- Verlag: btb Verlag
- Genre: Krimi
- Erscheinungsjahr: 2020
- ISBN: 978-3-442-71765-1
- Form: TB, 512 Seiten
- Preis: 11,00 €