Der Rabe von Lionel Davidson verspricht auf seiner Rückseite einen spannenden Agenten-Roman mit viel Action, viel Technik und einem etwas außergewöhnlichen Setting. Sibirien! Das kommt bei mir buchtechnisch bisher viel zu kurz, badei müsste es gerade im Spionagebereich doch eigentlich davon wimmeln.
Der Rabe
Lionel Davidson
Über diversen Umwegen erreicht ein kryptischer Hilferuf des russischen Biologen Rogatschow seinen Empfänger – Dr. Johnny Porter. Porter ist nicht nur ein höchst eigenwilliger Einzelgänger, der in der kanadischen Wildnis zu Hause ist, er ist außerdem ein brillanter Wissenschaftler, ein Sprachgenie und ein abenteuerlustiger Überlebenskünstler. Er macht sich auf den Weg nach Sibirien um seinem Kollegen zu helfen und gerät dabei mehr als einmal zwischen die diversen Fronten.
Alle Raben sind doppelzüngig. Der Rabe ist ein Schwindler. Er ist sehr einfallsreich. Er stahl die Sonne und brachte Licht in die Welt. Er ist sehr vorsichtig. Er hat zu nichts Vertrauen. Man kann ihm nicht trauen. Der Rabe, S. 86
Mein Eindruck:
Der Rabe ist eine Mischung aus Agententhriller und Abenteuerroman.
Kryptische Nachrichten
Die ersten Kapitel beschäftigen sich damit, die kryptische Nachricht, die zuerst Professor Lazenby in Oxford erreicht, zu entschlüsseln. Aber auch der Geheimdienst ihrer Majestät scheint damit leicht überfordert, so dass auch der zweite Hilferuf, der drei Monate später eintrifft, immer noch keine Klarheit bringt. Einzig über den Absender scheint man sich klar zu sein – Professor Rogatschow, der irgendwo in Sibirien Genexperimente mit Menschenaffen durchführt.
Außergewöhnlich
An dieser Stelle kommt dann Johnny Porter ins Spiel. Porter ist Kanadier indianische Abstammung, der bei seinem Onkel aufwuchs – dieser prügelte ihn regelmäßig und warf ihn am Ende aus dem Haus. Johnny Porter ist ein in jeder Beziehung außergewöhnlicher Mann. Er ging mit 17 zur Uni, machte mit 20 sein Examen in Mikrobiologie, später dann noch eines in Anthropologie und hat das Talent seltene Sprachen quasi im Vorbeigehen zu erlernen. Dazu ist er natürlich auch körperlich herausragend und über die Maßen fit. Mir ist das alles ein bisschen viel, sorry.
Ein Roadtrip
Lazenby ist überzeugt, dass Johnny Porter – der Rabe – der einzige ist, der nicht nur Rogtschow retten kann, sondern auch all die geheimnisvollen Experimente begreifen und evtl. verhindern kann. Der lässt sich erst ein bisschen bitten, startet dann aber durch. Hier beginnt dann der weniger spannende Teil der Geschichte. Eine Art Roadtrip durch unwegsames Gebiet, beginnend in Japan bzw. auf einem japanischen Schiff, dann quer durch das nördliche Eismeer und später weiter quer durch Sibirien. Dazu schlüpft in jede Menge unterschiedliche Rollen, die er dank seiner immensen Sprach- und Menschenkenntnisse wunderbar ausfüllt.
Zu viel des Guten
Mir war dieser Trip in den vielen verschiedenen Rollen schlicht zu viel. Zu viele Pannen zwingen ihn permanent zum umdenken und zeigen immer wieder, dass er stets Herr der Lage ist, zu viele mehr oder weniger subtile Hinweise auf Alltagsrassismus, auch da wo Menschen aufgrund der unwirtlichen Gegebenheiten eigentlich aufeinander angewiesen sind. Das alles ist sicherlich wichtig und richtig – gehört für mich aber nicht in dem Maße in einen „Agententhriller“, vor allem nicht in dieser belehrenden Form.
Toller Schreibstil
Was mich trotzdem dazu gebracht, das Buch bis zum Ende zu lesen, war der auf jeden Fall der sehr ausführliche, detailreiche Schreibstil von Lionel Davidson. Er beschreibt die Landschaft durch die sein Held geistert so, dass ich mich wirklich manchmal fühle, als sei ich selbst dort. Zum Ende hin steigt auch die Spannung wieder etwas und man hofft, das Johnny Porter alias Der Rabe mitsamt seiner wertvollen „Beute“ den Häschern entkommt, wieder glücklich in Kanadas Wäldern landet und auch sein privates Glück findet.
Mein Fazit:
Der Rabe von Lionel Davidson war nicht wirklich mein Buch. Es war mir zu belehrend und der Held der Geschichte war mir einfach – zu viel von allem.
- Titel: Der Rabe
- Originaltitel: Kolymsky Heights
- Autor: Lionel Davidson
- Übersetzer/in: Walter Ahlers, Christian Spiel
- Verlag: Penguin
- Genre: Thriller, Spionage
- Erscheinungsjahr: 2016 (Ersterscheinung 1994)
- ISBN: 978-3-328-10002-7
- Form: TB, 672 Seiten
- Preis: 10,00 €