In Aufruhr von Inga Vesper hat mich eine ganze Weile angelacht, bevor ich es mir dann letztens zugelegt habe. Geschichten, die gerade hochaktuelle, vieldiskutierte Themen behandeln, in diesem Fall sowohl die MeToo- und die BlackLivesMatter-Debatte, nerven mich oft mit dem permanent erhobenen Zeigefinger. Aber die Grundgeschichte bzw. Der Kriminalfall haben mich dan am Ende doch so neugierig gemacht, dass ich doch zugegriffen habe. Ich habe eine Schwäche, für all die Geschichten hinter den akkuraten Gardinen …
In Aufruhr
Inga Vesper
Es ist der Sommer 1959 in Sunnylakes, Santa Monica, Kalifornien. Perfekt getrimmte Rasenflächen umrahmen glitzernde Swimming Pools und die besser Vedienenden Einwohner genießen ihre kleine, perfekte Welt. Aber während eines langen, warmen udn ereignislosen Nachmittags verschwindet Joyce Haney aus ihrem Haus und hinterlässt zwei verstörte Kinder und eine Blutlache. Detective Mick Blanke, der den Fall bearbeitet, findet keinen Ansatzpunkt für seine Ermittlungen. Während die Nachabrn unterdessen Suchtrupps organsieren, ahnt die Haushaltshilfe Ruby Wright was passiert sein könnte – aber Ruby stammt aus South Central und dort ist die Polizei eher Teil des Problems und nicht der Lösung.
Gestern habe ich meinen Mann zum letzten Mal geküsst. Natürlich weiß er das nicht. Noch nicht. Tatsächlich kann ich es selbst kaum glauben. Aber als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich, dass es so ist. In Aufruhr, S. 7
Mein Eindruck:
Perfect world
Perfekt
Ein perfektes Haus, eine perfekte Straße, ein perfekter Ehemann, zwei perfekte Töchter und eine dienstbare Magd – Joyce Haney führt anscheinden das perfekte Leben. Mich erinnert das Ganze vor allem an „Die Frauen von Stepford“ – ein Film, in dem alle ständig lächelten, hübsch aussahen und keine eigene Meinung hatten. Vielleicht liefen die Dinge 1959 tatsächlich so – oder zumindest so ähnlich – aber ich finde es liest sich total befremdlich.
Blutlache
Als Ruby Wright, die Zugehfrau der Haneys, eine Morgens zum Dienst erscheint finde sie die die beiden Kinder ganz alleine vor und in der Küche entdeckt sie eine Blutlache. Ruby stammt aus einem Problemviertel und sie hat die falsche Hautfarbe, was sie sofort zur Hauptvedächtigen macht. Detective Mick Blanke ist sich zwar in diesem Punkt nicht so sicher, findet aber überhaupt keinen Anhaltspunkt, was tatsächlich passiert sein könnte.
Gegensätze
Die wirklich krassen Gegensätze in In Aufruhr tun schon beinahe körperlich weh. Ruby ist arm und schwarz, sie muss ständig vorsichtig sein, kann nicht einfach in jedes Restaurant oder Geschäft gehen und weiß, dass sie ständig unter Beobachtung steht, wenn sie auf dem Weg zu ihrer Arbeit durch das weiße Viertel geht. Es ist wirklich unangenehm und reichlich verstörend zu lesen, wie tief der Rassismus hier geht und wie er sich auch in tausend, eigentlich unbedeutenden, Kleinigkeiten immer wieder äußert.
Elegant
Den Gegensatz bildet hier die weiße, wohlhabende Community. Hier gibt es die Männer mit den anspruchsvollen Jobs, die als Ausgleich zur harten Arbeit die schicksten Autor fahren und den angesagten Trend hinterherjagen. Ihre Frauen hüten derweil, elegant gekleidet und stets frisch manikürt, das Haus und erziehen die Kinder zu genauso „wertvollen“ Mitgliedern der Gesellschaft wie sie es sind. Ich könnte im Strahl .. und so weiter.
Angst
Allerdings weiß Ruby weitaus mehr über das, was hinter all den schicken Vorhängen vor sich geht, als den Bewohnern dort bewusst ist. Da niemand dort Ruby tatsächlich als Person wahrnimmt, gibt sich auch kaum jemand Mühe etws vor ihr zu verbergen. Während die Nachbarschaft sich mit der Aufstellung von Suchttrupps beschäftigt, versucht Detective Mick Blanke Ruby dazu zu bewegen, ihm zu erzählen, was sie tatsächlich weiß. Aber noch schwankt Ruby, denn sie ahnt, dass sie sich in große Gefahr begibt, wenn sie mit der Polizei zusammenarbeitet.
Viel mehr
Um herauszufinden, was mit Joyce passiert ist, müsst ihr In Aufruhr schon selber lesen –aber die Geschichte ist ja viel mehr, als nur die Story einer vermissten Frau. Erzählt wird alles aus den Perspektiven von Ruby, Mick und Joyce und so bekomme ich als Leser nach und nach ein Bild über das Leben, die Rolle der Frauen und die Bedeutung der Rassen im Amerika der 50er Jahre. Aber es ist auch eine Geschichte über eine für damalige Zeiten sehr ungewöhnliche Frauenfreundschaft und den Ausbruch aus dem berühmten „Goldenen Käfig“. Zu all dem fand ich den Schreibstil der Autorin ausgesprochen angenehm und empathisch.
Mein Fazit:
In Aufruhr von Inga Vesper ist ein ein spannender Kriminalfall, der dann aber doch viel mehr als das ist. Ich fand es gleichermaßen interessant wie lehrreich, ohne mich unangenehm belehrt zu fühlen. Ein für mich wirklich toller Mix.
- Titel: In Aufruhr
- Originaltitel: The Long, Long Afternoon
- Autor/in: Inga Vesper
- Übersetzung: Katharina Naumann, Silke Jellinghaus
- Verlag: Kindler Verlag
- Genre: Krimi
- Erscheinungsjahr: 2021
- ISBN: 978-3-463-00022-0
- Form: HC, 384 Seiten
- Preis: 22,00 €