Eiskalte Hölle ist der Debütroman von Ilaria Tuti und ich bin auf ihn gestossen, weil ich nach einem Thriller gesucht habe, der irgendwie etwas mit Schnee, Eis und Kälte zu tun hat. Da kamen dann gleich mehrere Thriller in Frage, aber da ich dank Barbara Baraldi gute Erfahrungen mit italienischen Thrillerautorinnen gemacht habe habe ich mich für genau diesen Thriller entschieden – na gut, und weil der Klappentext schon reichlich gruselig klang und ich die Gegend in der es sich abspielt tatsächlich persönlich kenne.
Eiskalte Hölle
Ilaria Tuti
Vor den Toren Travenìs, am Rande eines tausendjährigen Waldes, der von schneebedeckten Gipfeln und steilen Klippen dominiert wird, befindet sich der Körper eines Mannes, völlig nackt und ohne Augen. Mit seinen Kleidern wurde eine Vogelscheuche gemacht, die wenige Meter entfernt vom Fundort der Leiche aufgestellt wurde. Die Ermittler spüren sofort, das dies kein gewöhnlicher Mordfall ist, sondern das Ergebnis der Psychose eines Mörders ist. Eines Mörders, der keine Spur hinterlässt, der sich an diesem Ort zu bewegen weiß, der den andauernden Schneefall nutzt, wie ein Tuch, dass alle seine Sünden barmherzig verdeckt…
Der mit Raureif überzogene Körper lag im Gras. Die blasse Haut bildete einen harten Kontrast zu dem schwarzen Kopf- und Schamhaar. Im Hintergrund das dumpfe Grün der Bergwelt. In den Schatten am Rande der Wälder hielten sich hartnäckig schmutzige Schneefelder. Über Nacht hatte es ein wenig geschneit, Eiskristalle hingen an den Wimpern der Leiche. Eiskalte Hölle, S. 20
Mein Eindruck:
Nicht alles ist friedlich, nur weil es friedlich aussieht…
Entmenschlicht
Das Team um die 60-jährige Kommissarin Teresa Battaglia und ihren Kollegen Inspektor Massimo Marini ist sich schnell einig, dass dies kein gewöhnlicher Mordfall ist. Das Entfernen der Augen, die ja die Seele eines Menschen spiegeln, sowie das offensichtliche zur Schau stellen der nackten Leiche, scheinen den Verstorbenen zu entmenschlichen. Auch die völlige Zerstörung seines Gesichts nimmt ihm seine Persönlichkeit.
Härte
Die Hauptfigur, Teresa Battaglia, ist eine intelligente und einfühlsame, aber trotzdem sehr rational denkende Frau. In ihrer Arbeit legt sie eine Festigkeit an den Tag die man durchaus auch als Härte sehen kann. Aber im Prinzip versucht sie nur sich selbst vor den immer neuen Verwundungen zu schützen, die ihre Arbeit als Profilerin, das Hineindenken in das Böse, so mit sich bringt.
Waisenhaus
uch der Ort an dem dieser Mord geschehen ist, scheint sich selber schützen zu wollen. Aber um den Mord aufzuklären und weitere zu verhindern graben die Ermittler tief in der Vergangenheit und stoßen dabei auf ein recht mysteriöses Waisenhaus. Dort wurden unmenschliche Experimente mit Geist und der Psyche kleiner Kinder gemacht und der Täter scheint etwas mit diesem Waisenhaus zu tun zu haben.
Vergesslichkeit
Während der Ermittlungen fällt Teresa Battaglia immer mehr auf, das irgendetwas nicht stimmt – und zwar mit ihr. Der Verdacht, den sie schon länger hat, erhärtet sich immer weiter, denn sie scheint immer mehr zu vergessen und fürchtet an einer beginnenden Demenz zu leiden. Das würde das unweigerliche Ende ihrer Arbeit bedeuten und sie muss sich selber eingestehen, dass sie in ihrem Leben nichts anderes als ihre Arbeit hat. An diesem Punkt entscheidet sie sich, alle noch vorhandenen Energien für die Suche nach dem Mörder zu nutzen.
Grausam
Eiskalte Hölle ist ein grausamer, ziemlich brutaler Thriller der mich als Leser vor die Frage stellt, wie ein Mensch so werden kann, wie der Täter in diesem Fall. All das Böse, das aktuelle genauso wie das vergangene, passiert in einer beinahe märchenhaften Landschaft, die sehr detailliert und liebevoll beschrieben wird, dass man beinahe vergisst, um was es hier geht. Genau in solchen Momenten schlägt dann aber das Grauen wieder unverhüllt zu und genau das liebe ich an diesem Buch.
Stereotyp
Vor allem liebe ich aber an diesem Buch, dass es endlich mal wieder eine Ermittlerin in den Fokus geschafft hat, die so gar keinem Stereotyp entspricht. Sie ist weder jung, noch knackig, sondern immerhin sechzig Jahre alt. Sie weiß sich durchzusetzen, ohne Rücksicht darauf, ob sie sich beliebt macht und sie macht ihren Job dabei richtig gut. Aber sie kämpft auch mit all den Einschränkungen, die mit dem Alter so auftauchen und den Ängsten, was nach den Jahren voller Arbeit noch kommt. Ein Mensch wie du und ich eben!
Mein Fazit:
Eiskalte Hölle von Ilaria Tuti ist ein facettenreicher, spannender Thriller mit einer ebenso facettenreichen Ermittlerin. Wer eine Mischung aus detaillierter Landschaftsbeschreibung, menschlichen Abgründen, einer wirklich interessanten Protagonistin und einen Hauch Sozialkritik mag, sollte sich diesen Thriller nicht entgehen lassen.
- Titel: Eiskalte Hölle
- Originaltitel: Fiori sopra l’inferno
- Autor/in: Ilaria Tuti
- Übersetzer/in: Ingrid Ickler
- Verlag: Penguin Verlag
- Genre: Thriller
- Erscheinungsjahr: 2019
- ISBN: 978-3-328-10405-6
- Form: TB, 432 Seiten
- Preis: 10,00 €