Die siebte Zeugin ist ein Justiz-Thriller von Florian Schwiecker und Michael Tsokos, der mit ordentlich Werbung angekündigt wurde. Von Michael Tsokos habe ich vor garnicht allzulanger Zeit den Thriller Zerrissen hier vorgestellt und seinen Podcast Die Zeichen des Todes, den er gemeinsam mit dem Journalisten Philipp Eins betreibt, vorgestellt. Florian Schwiecker ist mir, bisher jedenfalls, immer irgendwie entgangen – aber vielleicht ändert sich das ja jetzt, wer weiß.
Die siebte Zeugin
Florian Schwiecker, Michael Tsokos
Nikolas Nölting ist ein braver Beamter der an einem ganz gewöhnlichen Sonntag wie immer, nachdem er seiner Tochter nochmal kurz zugewunken hat, mit dem Rad zur örtlichen Bäckerei aufbricht. Alles scheint ganz bieder, ganz normal und doch passiert Augenblicke später etwas völlig unfassbares. Nölting überfällt vor der Bäckerei einen Polizisten, greift sich dessen Waffe und schießt in der Bäckerei um sich. Nachdem er eine Person getötet und zwei Personen angeschossen hat, lässt er sich ohne jeden weiteren Widerstand festnehmen.
Er stieg von seinem Fahrrad ab, um es an dem Straßenschild anzuketten, und sah zu dem uniformierten Polizisten hinüber, der vor der Bäckerei stand. Die siebte Zeugin, S. 6
Mein Eindruck:
Die spannende Frage nach den Gründen …
Unbegreiflich
Natürlich fragt sich jeder, was in den so netten und braven Beamten Nikolas Nölting gefahren ist – vor allem seine Frau ist vollkommen ratlos. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche nach einem Verteidiger und stößt dabei zufällig auf den Anwalt Rocco Eberhardt. Dieser nimmt den Fall an, aber auch ihm vertraut Nölting sich nicht an. Ich finde es wirklich schwer vorstellbar, dass ein “ganz normaler” Mensch so brutal tötet und dann so eisern schweigt und spekuliere zu Beginn erst mal auf eine Geisteskrankheit.
Schweigen
Da die Wochen ins Land ziehen, ohne das der Angeklagte irgendwas erhellendes beiträgt, ermittelt Anwalt Eberhardt selber bzw. lässt seinen Freund Tobias Baumann, seines Zeichens Detektiv, ermitteln. Nach und nach deckt er die Einzelheiten eines wirklich sehr brisanten Falles auf – aber sein Mandant hüllt sich immer noch in Schweigen. Eberhardts Ermittlungen weisen ganz eindeutig immer mehr in das Umfeld krimineller Clans, was die ganzen Ermittlungen immer riskanter macht.
Rocco Eberhardt
Für mich als Leser gibt es zwischendurch immer mal wieder Informationen über Rocco Eberhard (wer lässt sich eigentlich solche Namen einfallen?), so dass ich mir ein relativ gutes Bild über ihn, seine Moralvorstellungen und seine Sicht auf die Arbeitsweise eines Anwalts machen. Persönlich habe ich nur wenig Erfahrungen mit Anwälten – aber die wenigen Erfahrungen waren nicht dazu geeignet, dieses Berufsbild zu mögen. Aber das ist sicher Ansichtssache und nicht repräsentativ.
Justus Jarner
Über den zweiten Protagonisten, den Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer, erfahre ich leider sehr viel weniger – dabei hätte ich auch zu seiner Arbeit gerne mehr gehört. Wer in diesem Falle der Täter war und welche Verletzungen die Opfer hatten stand ja eigentlich von Beginn an fest und so lieferte dieser Teil eigentlich keine besonderen Erkenntnisse – ein paar mehr persönliche Infos über den Rechtsmediziner hätte ich schon ganz gern gehabt. Aber scheint auch er scheint recht sympathisch zu sein.
Recherchearbeit
Grundsätzlich mag ich es, über die Recherchearbeit der Ermittler und auch über Zeugenbefragungen vor Gericht mehr über einen Fall und seine Hintergründe zu erfahren, aber in diesem Fall fand ich es alles ein bisschen zu glatt, zu passend, zu harmonisch – aber vielfach auch einfach zu unpersönlich. Mir fehlte am Ende die Spannung, die überraschende Wendungen oder neue Erkenntnisse in solchen Fällen so mit sich bringen. Die Geschichte war gut, aber sie konnte mich leider nicht wirklich mitreißen.
Mein Fazit:
Die siebte Zeugin von Florian Schwiecker und Michael Tsokos hat grundsätzlich ein interessantes Thema, konnte mich aber nicht wirklich mitreißen. Allerdings muss ich mich manchmal auch erst an neue Leute und deren Eigenheiten gewöhnen …
- Titel: Die siebte Zeugin
- Autor/in: Florian Schwiecker, Michael Tsokos
- Verlag: Droemer Knaur
- Genre: Thriller
- Erscheinungsjahr: 2020
- ISBN: 978-3-426-52755-9
- Form: TB, 320 Seiten
- Preis: 12,99 €
Ich hatte vor diesem Buch noch nie was von Schwiecker/Tsokos gehört oder gelesen, bin einfach bei der Suche nach neuem Lesestoff bei meinem örtlichen Dealer darüber gestolpert. Ich kannte sie nicht, bevor ich es nicht zu Ende gelesen hatte, haben ich auch keine der weiteren Infos gelesen, die auf der Innenseite angeboten werden oder im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten.
Nur der reine Stoff, alles andere kommt später.
Hier allerdings nun andersherum, erst der Rest, dann der Stoff. Liegt ganz einfach daran, man kann sich dem Inhalt nur sehr schwer nähern, ohne sofort im Spoiler-Alarm zu enden.
Fangen wir deswegen mit den Protagonisten, Eberhardt und Jarmer an. Um sie, ihr Entstehen, ihre Charakter zu beurteilen darf man nie vergessen, es handelt sich hier um Band eins einer Reihe. Was entsteht muss wiederverwendbar sein. Allzu krasse Entwicklungen verbieten sich somit, ein Widererkennungswert muss geschaffen werden. Leider wird hier auch vor diesem Hintergrund sehr wenig geliefert. Die Figuren sind weitestgehend blass und konturlos, Passagen, die sie einem ans Herz wachsen lassen, eher spärlich. Ebenso vermisst man das Besondere, eine Eigenart, Angewohnheit, an der man das aufhängen kann. Ich mein, es muss ja nichts besonderes sein, keine 20 Seiten Fließtext. Einmal den Herrn morgens im zerknitterten Motörhead T-Shirt zur Kaffeemaschine schlurfen lassen würde diesen Zweck schon erfüllen.
Ähnlich verhält es sich mit den Schauplätzen. Ort der Handlung ist Berlin und um zu, es könnte aber auch jede andere beliebige Stadt sein. Außer einigen wenigen Sätzen zur bewegten Geschichte des Gerichtsgebäudes, in dem ein Teil der Handlung spielt, ist da leider so gut wie nichts. Was auch wieder schade ist, denn eine Stadt riecht, an manchen Stellen anders als an anderen, sie hat einen Klang und Farbe. Und, Berlin ist nun mal die Schicksalsstadt für uns Deutsche. Wenn man seine Geschichte dort spielen lässt sollte man sich damit beschäftigen. Was leider nicht geschieht.
Okay, kommen wir nun zum Plot selbst. Meine Schwierigkeit mit dem Spoiler Alarm habe ich ja schon erwähnt, ich packe das deshalb in einen Vergleich – wäre es ein Film und es gäbe eine Test Vorabaufführung, das Publikum würde nach fünf Minuten mit Unmutsbekundungen beginnen, nach zehn wäre wohl kaum mehr die Hälfte im Saal.
Womit wir bei dem wären, was man mit „Die siebte Zeugin“ bekommt:
Es ist weniger ein Buch als vielmehr ein Marketing Konzept zur Einkommenserlangung.
Ich hoffe, der Knaur Verlag verwendet zumindest Teile der hierdurch erzielten Einnahmen, um an anderer Stelle auch Geschichtenerzählern Raum zu geben.
Allerdings, dass bitte ich nie aus den Augen zu verlieren, es gibt auch in diesem Buch etwas Besonderes. Kurze Erklärung dazu, die Anrede mit dem Akademischen Grad Doktor ist heute keine gesetzliche Pflicht mehr, sondern ein „Höflichkeits-Recht“. Dennoch schreiben die Autoren ihn fast durchgängig im Buch. Jedenfalls bei der, positiven Figur, Richterin, bei Liderling Oberstaatsanwalt wird er dagegen tatsächlich manchmal weggelassen.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Ach ja, und den zweiten Teil, den Spar ich mir denn doch lieber.
„Die 7. Zeugin“ beginnt spannend und wird behutsam aufgefädelt. Leider fällt die Spannung ab mit der Schiesserei im Restaurant. Man liest trotzdem tapfer weiter, weil man nun eigentlich wissen möchte, was die 7. Zeugin Erhellendes beizutragen hat. Dass dann die Ehefrau die 7. Zeugin ist, ist enttäuschend. Sie sagt noch mal alles vor Gericht, was der Leser ja bereits weiss. Man wünschte sich mehr überraschende Wendungen und viel mehr Spannung für das Finale. Auch die Protagonisten hätte man mit mehr Biss ausstatten können.