Loreley singt nicht mehr von Judith Merchant hat mich sowohl mit dem Cover als auch mit dem Klappentext schon sehr neugierig gemacht. Mittlerweile gibt es schon drei Bücher mit diesem Ermittlerteam, aber da der letzte Band 2015 herauskam, scheint mit dieser Serie wohl Schluss zu sein. Schade drum – ich fand sowohl das Team als auch das Setting wirklich gut.
Loreley singt nicht mehr
Judith Merchant
Jan Seidel wird am frühen Morgen zum Fundort einer Leiche gerufen, ein Angler, Heiner Menzenbach, hatte den Toten im Rhein entdeckt und die Polizei alarmiert. Etwas übermüdet trifft Seidel wenig später am Rheinufer bei Königswinter ein und traut seinen Augen kaum denn die Leiche ist auf eine sehr bizarre Art erleuchtet und die Erklärung des Anglers dazu erscheint dem Kommissar ziemlich fadenscheinig. Es dauert ein bisschen, bis Jan Seidel und seine Kollegin Elena Vogt die Identität des unbekleideten Mannes geklärt haben und zunächst deutet alles auf einen Selbstmord hin, was auch der Witwe durchaus logisch erscheint, da ihr Mann Gernot Schirner unheilbar erkrankt war und nicht mehr lange zu leben hatte. Trotzdem bleiben Jan und Elena misstrauisch. Zuviele Zufälle scheinen hier zusammen zu treffen. Alle Fäden laufen in irgendeiner Form bei Menzenbach, seiner Frau und deren Nachbarn zusammen – aber warum hätten einer von ihnen den Todkranken ermorden sollen? Welche Rolle spielt Chris, Heiner Menzenbachs kleiner Sohn, der vor ein paar Jahren spurlos verschwand, dabei? Was hat es mit den Panikattacken von Marla Menzenbach auf sich und mit der rührenden Hilfe der Nachbarin auf sicht? Die Kommissare setzen nach und nach das Puzzle zusammen und stoßen dabei auf immer mehr seltsame, tragische Ereignisse.
Mein Eindruck:
Tragische Ereignisse und ihre Folgen
Passend
Das Buch ist in 4 große Kapitel aufgeteilt, die jeweils einen Tag der Ermittlungen beschreiben. Dazu gibt es einen Prolog, einen Epilog und eine recht ausführliche Leseprobe zu Judith Merchants erstem Buch Nibelungenmord. Das Coverbild, in flaschengrün gehalten, zeigt ein einsam dahin dümpelndes Boot – und trifft wirklich auf den Punkt die Stimmung des Buches.
Tolle Ermittler
Das ruhig,überlegt und auch mitfühlend agierende Ermittlertrio Seidel, Vogt und Bormann ist durchweg sympathisch und kämpft, neben der Lösung des Falles, mit privaten Problemen und Problemchen die einem hier und da durchaus bekannt vorkommen. Vor allem Elena, die nicht immer so genau weiß was sie will könnte durchaus verwandt mit mir sein. Die Hauptrollen in diesem Buch sind für mich aber weniger die Ermittler, wie es sonst eigentlich üblich ist, sondern die beiden Familien die während der Ermittlungen immer mehr ins Fadenkreuz von Jan Seidel und seiner Kollegin geraten.
Leise und eindringlich
Langsam, leise aber sehr eindringlich und unaufhaltsam breitet sich das Leben und das Leiden der Familien Schirner und Menzenbach vor dem Leser aus. Ein Leben auf das man so gar nicht neidisch ist und von dem nur die Fassade aufgeräumt und gutbürgerlich ist. Die psychisch angeschlagen Marla, die einfach alles um sich herum geschehen lässt (die ich gelegentlich gerne ein bisschen geschüttelt hätte um sie aufzuwecken) und Juli, die unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft alles lenkt und kontrolliert, zwei eher hilflose Ehemänner die sich gerne aus dem Familenalltag heraushalten und die noch viel hilfloseren Kinder, denen niemand wirklich zur Seite steht, als sie Hilfe brauchen.
Überraschendes Ende
In den Lesepausen, die leider durch so lästige Dinge wie Spülen und Putzen nötig waren, habe ich mich immer wieder dabei ertappt, das ich über die Familien in Loreley singt nicht mehr und das Geschehen im Buch nachgedacht habe. Vielleicht sind meine Nachbarn auch gar nicht so normal, wie es den Anschein hat? Wer weiß schon wirklich, was sich so hinter geschlossenen Türen abspielt? Aber weil das Buch so spannend war, habe ich die Lesepausen möglichst kurz gehalten um zu erfahren wie es weitergeht und gerade als dachte ich wüsste was geschehen ist, klärt sich der Fall dann doch überraschend etwas anders.
Oma
Ein bisschen erstaunt war ich, dass die, in der Verlagsbeschreibung als „rheinische Miss Marple“ angekündigte, Großmutter von Jan Seidel recht wenig in Erscheinung trat. Sie hilft zwar hier und mit ein bisschen „Dorftratsch“ und großmütterlichen Lebensweisheiten aus, aber bis auf eine kurze Aktion gegen Ende des Buches beteiligt sie sich nicht wirklich aktiv am Geschehen. Allerdings hat sie mir auch nicht wirklich gefehlt und ich hätte auch ganz gut ganz auf sie verzichten können.
Eindrucksvoll
Aber ob nun mit oder ohne Großmutter Seidel ist Loreley singt nicht mehr von der ersten bis zur letzten Seite spannend und sehr berührend. Ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen und war während des Lesens so in in die Geschichte vertieft, dass ich wahrscheinlich auch ein Erdbeben kaum bemerkt hätte – oder höchstens als ziemlich lästig empfunden hätte. Judith Merchant hat mit Loreley singt nicht mehr auf jeden Fall eindrucksvoll bewiesen, dass ein wirklich spannendes und fesselndes Buch auch ohne massenhaft Leichen, übertrieben Brutalität, blutige Grausamkeiten und andere eklige Details auskommt.
Mein Fazit:
Loreley singt nicht mehr von Judith Merchant ist ein superspannender, intelligenter und einfühsamer Krimi für alle die sich gern ohne viel Blut eine Gänsehaut holen möchten. Wirklich sehr empfehlenswert.
- Titel: Loreley singt nicht mehr
- Autor: Judith Merchant
- Verlag: Droemer Knaur Verlag
- Genre: Krimi
- Erscheinungsjahr: 2012
- ISBN: 978-3-426-50864-0
- Form: TB, 384 Seiten
- Preis: 9,99 €