Die Kraft des Bösen von Fabio Paretta ist eher ein klassischer Krimi und ich habe in letzter Zeit festgestellt, dass mir diese, wenn sie gut geschrieben sind, oft besser gefallen als die zumeist extrem blutigen Thriller. Irgendwie habe ich dieses literweise vergossen Blut und alles was dazugehört oft über. In diesem speziellen Fall hier kommt noch dazu, dass ich ein Italien-Fan bin und mir der Klappentext tatsächlich Lust auf mehr gemacht hat.
Die Kraft des Bösen
Fabio Paretta
Commissario Franco De Santis lebt zur Zeit – gegen seinen Willen – von Frau und Kindern getrennt. Trotzdem spielt er ihr zuliebe jeden Sonntag bei seinen noblen und wohlhabenden Noch-Schwiegereltern den braven Ehemann und Vater. An einem dieser Sonntage wird er vom Mittagstisch zum Dienst gerufen, denn in einer Kirche im Arbeiterviertel Bagnoli wurde die Leiche des dortigen Gemeindepfarrers gefunden – im Glockenturm erhängt, ein Abschiedsbrief zu seinen Füßen. De Santis wird trotz der ziemlich eindeutigen Lage das Gefühl nicht los, das irgendetwas nicht stimmt und nimmt die Ermittlungen auf.
Fehler waren menschlich, und Neapel war eine besonders menschliche Stadt. Die Kraft des Bösen, Klappeninnentext
Mein Eindruck:
Ein Kommissar in einer recht schwierigen persönlichen Situation ist bei den meisten Krimis heute ja nicht unbedingt was Neues 🙂
Klischees zu Beginn
So geht es auch bei Die Kraft des Bösen erst einmal mit den üblichen Klischees los. Reiche Schwiegereltern die bei Laune gehalten werden müssen, pubertierende Kinder die die Lage schamlos ausnutzen und Kollegen die liebend gerne auch mal fünfe grade sein lassen oder frag – und klaglos alles mitmachen, was der Chef so will. Erinnerte mich schon schwer an Donna Leons Brunetti und ich war ein bisschen versucht, das Buch erst mal wieder zur Seite zu legen. Aber selbst bei diesen Klischeezeichnungen war ich angenehm überrascht über den Schreibstil des Autors, also blieb ich dran.
Lebensnah bis ins Detail
Das war auch gut so, wie sich im Laufe des Buches herausgestellt hat 🙂 Fabio Paretta zeichnet ein sehr detailgenaues Bild von Neapel und seinen Bewohnern. Ob es um die malerischen, historischen Gebäude in den engen Gassen geht, ob es um das schon ewig währende Problem der Müllentsorgung geht, das fest in den Händen der Camorra liegt oder um die leicht schlitzohrigen aber durchaus liebenswerten Neapolitaner geht, die mit der Polizei bzw. den sbirri, den Bullen, nichts zu tun haben wollen – alles wird akribisch beleuchtet und lebensnah geschildert. Auch die nette Gewohnheit des caffè sospeso , die auch auf Wien („aufgeschobener“ Kaffee) und London (suspended Coffee) abgefärbt hat, wird liebevoll erwähnt.
Weniger nett
Aber auch weniger nette Dinge wie die ständigen Mauscheleien und den aufgeblasenen Bürokratieapparat – beides behindert auch nachhaltig die Arbeit von Commissario De Santis – kommt zur Sprache. Ebenso die allgegenwärtige und mächtige Kirche, die versucht ihn in seiner Arbeit zu stoppen, was ihr allerdings nicht gelingt. Trotzdem steht der Krimiplot und sein merkwürdig verworrenes Ende nicht unbedingt im Vordergrund der Geschichte, sondern bildet eher das Gerüst für all die oben bereits erwähnten Milieustudien, die mich dann am Ende aber tatsächlich genug begeistert haben, um Die Kraft des Bösen zu Ende zu lesen.
Mein Fazit:
Die Kraft des Bösen ist vielleicht nur eine bedingte Empfehlung für Krimiliebhaber, aber auf jeden Fall eine klare Empfehlung für Neapel – oder Italienfans, die daran sicher genauso viel Freude haben werden wie ich. Vielleicht fokussiert sich der nächste Band Trügerisches Neapel dann mehr auf den Kriminalfall? Ich werde es herausfinden 🙂
- Titel: Die Kraft des Bösen
- Autor: Fabio Paretta
- Verlag: Penguin Verlag
- Genre: Krimi
- Erscheinungsjahr: 2016
- ISBN: 978-3-328-10050-8
- Form: TB, 416 Seiten
- Preis: 10,00 €
- Die Kraft des Bösen
- Trügerisches Neapel
- Tödliches Capri